Betreff
Ganzheitliche Fortentwicklung der Hildesheimer Straße in Alt-Laatzen
- Antrag der Gruppe SPD-Grüne-Linke im Rat
Vorlage
2022/299
Art
Antrag

Begründung:

 

Am 09.07.2020 hat der Rat der Stadt Laatzen beschlossen, dass die Stadtverwaltung mit den Straßenbaulastträgern der Hildesheimer Straße Kontakt aufnimmt, um die Einrichtung eines Pop-up-Radweges in Fahrtrichtung Norden im Bereich Alt-Laatzen zu prüfen und einen Plan für einen Fahrradschnellweg Laatzen-Hannover zu entwickeln. Bei diesen Gesprächen wurde die Idee geboren, die damals geplante Veloroute 8 der Landeshauptstadt Hannover von der Stadtgrenze bis zum Abzweig der Erich-Panitz-Straße als interkommunale Veloroute im Rahmen eines Stadtexperiments zu verlängern.

Eröffnet wurde der Laatzener Teil der interkommunalen Veloroute im Juni 2021, der Anschluss auf dem Stadtgebiet Hannover im Oktober 2021. Die Diskussionen, die seitdem im Verkehrswendeausschuss der Stadt Laatzen sowie in der Öffentlichkeit geführt wurden, sowie die Ergebnisse der durchgeführten Befragungen, zeigen, dass das Thema sehr umstritten bleibt. Obwohl die Mehrheit der Menschen in Laatzen an dieser Stelle sowohl zu Fuß als auch mit Fahrrad und Auto unterwegs sein dürfte, lassen sich deutliche Unterschiede in der Wahrnehmung unterscheiden:

·                       Aus Sicht der Radfahrerinnen und Radfahrer ist mit der Velo-Route vor allem ein Komfortgewinn verbunden. Der Verkehrsentwicklungsplan der Stadt Laatzen weist darauf hin, dass der “alte” Radweg teilweise artistische Fähigkeiten erfordert und nicht die erforderliche Breite aufweist. Gleichzeitig fühlen sich vor allem Gelegenheitsradfahrer weiterhin unsicher, wenn sie auf der Straße fahren sollen.

·                       Für Fußgängerinnen und Fußgänger bedeutet die Verlagerung des Radverkehrs auf die Straße einen deutlichen Raumgewinn und sollte mit einem deutlichen Sicherheitsgewinn einhergehen, der jedoch möglicherweise durch anhaltende Fehlnutzungen des „alten“ Radwegs sich (noch) nicht in gefühlter Sicherheit niederschlägt.

·                       Kraftfahrerinnen und Kraftfahrer bemängeln längere Passierzeiten und längeres Warten an den Ampeln, insbesondere im Berufsverkehr am Nachmittag.

·                       Von Seiten der Anwohnerinnen und Anwohner werden stärkere Emissionsbelastungen mit Schadstoffen und Lärm durch längere Verweildauern der KFZ auf der Hildesheimer Straße moniert. Gastronomie und Einzelhandel sorgen sich um die Erreichbarkeit für Kundinnen und Kunden sowie den Lieferverkehr.

Die Ergebnisse der Befragungen lassen unterschiedliche Interpretationen zu. Die weitere Beobachtung der Situation erscheint dringend notwendig, um zu ermitteln, ob sich Gewöhnungseffekte einstellen oder strukturelle Probleme verbleiben. Gleichwohl hat das Pilotprojekt es ermöglicht die generelle Machbarkeit der Radverkehrsführung auf der Fahrbahn zu testen und Schwachstellen zu identifizieren. Die Erfahrungen aus dem Pilotprojekt sollten genutzt werden, um schrittweise, aber mit langfristiger Perspektive und ganzheitlichem Denken diesen, Alt-Laatzen durchschneidenden Raum fortzuentwickeln. Dazu sollten die oben genannten Bausteine gehören.

Zur Begründung im Einzelnen:

1)   die Abfragen der Nutzerinnen und Nutzer haben ergeben, dass noch kein deutlicher Anstieg der gefühlten Sicherheit gemessen werden konnte, was weiter beobachtet und durch geeignete Maßnahmen gestärkt werden sollte.

2)   Aktuell nutzen zahlreiche Radfahrerinnen und Radfahrer weiterhin den “alten” Radweg oder fahren auf der falschen Straßenseite, während der Radfahrstreifen an mehreren Stellen häufig zum (Kurzzeit)Parken und Halten genutzt wird. Im Sinne der Verkehrssicherheit aller Verkehrsteilnehmerinnen und -teilnehmer sollte die Verstetigung der Veloroute zum Anlass genommen werden, stärker auf die Einhaltung der Verkehrsregeln zu dringen.

3)   Der Einzelhandel und die Gastronomie an dieser Stelle leisten einen wichtigen Beitrag zur Verkehrsvermeidung, zur barrierefreien Nahversorgung und zur Lebensqualität in Alt-Laatzen, sind aber aufgrund der geringen Aufenthaltsqualität an dieser Stelle und der Konkurrenz durch großflächigere Angebote, die regelmäßig östlich der Hildesheimer Straße liegen, schwierigen Bedingungen ausgesetzt.

4)   In südlicher Richtung kommt es an der Einmündung “Neue Straße” regelmäßig zu brenzligen Situationen, weil infolge der Linksabbiegerspur der Radfahrstreifen sehr schmal ausgefallen ist. Die Verlagerung des ruhenden Verkehrs zur Hälfte auf den ehemaligen Radweg sorgt für Entlastung, aber weitere bauliche Maßnahmen (einschließlich Rückverlegung des Ampelmastes) erscheinen notwendig, um die hier notwendigen Breiten für alle Verkehrsteilnehmerinnen und –teilnehmer zu schaffen.

5)   Die Führung auf der Fahrbahn führt dazu, dass auch Radfahrerinnen und Radfahrer an Ampeln halten müssen, wo das vorher nicht der Fall war. Gleichzeitig kommt es zu sehr langen Rotphasen, weil auch der Geradeausverkehr bei Querung der Kreuzung durch eine Straßenbahn in der Regel rot hat, um eine Blockierung der Schienen durch Linksabbiegen zu verhindern. An Stellen, an denen eine differenzierte Ampelschaltung für Rad- und Kfz-Verkehr vertretbar erscheint, sollten die rechtlichen Möglichkeiten ausgeschöpft werden. Generell könnten Hinweise zum zeitlichen Beginn der nächsten Grünphase hier eine interessante Möglichkeit zur Verstetigung und Verkehrsberuhigung bieten.

An den Ampeln Einmündung “Alte Rathausstraße” und “Birkenstraße” kommt es in beiden Richtungen regelmäßig zu sehr kurzen Rotphasen von max. 10 Sekunden Länge, ohne dass eine Straßenbahn in der Nähe wäre. Dadurch werden alle Verkehrsteilnehmer im Längsverkehr zum Halten gezwungen, ohne dass Fußgänger die Möglichkeit zur Querung haben. Dies sollte überprüft werden.

6)   Laatzen hat aufgrund seiner kompakten Siedlungsstruktur und seiner guten Ausstattung mit Arbeitsplätzen, Bildungsstätten und Einzelhandel bereits sehr gute Ausgangsbedingungen für eine verkehrsvermeidende Raumentwicklung. Gleichwohl sollten weitere Potenziale ermittelt und genutzt werden, um Funktionsentmischung zurückzufahren und die Stätten der Nahversorgung möglichst in unmittelbare Nähe zu den Lebensräumen der Menschen zu planen.

7)   Die Veloroute sollte nur als Zwischenschritt betrachtet werden. Um Fortschritte für einen attraktiven Radverkehr zu erzielen und die gefühlte Sicherheit in Alt-Laatzen zu erhöhen, ist ein weiterer Schritt notwendig, der wetter- und winterfest konstante Geschwindigkeiten von mindestens 25 km/h für den Pendel- und Berufsverkehr zulässt. Dabei sollten auch Flächen in den Blick genommen und ggf. planerisch gesichert werden, die heute noch nicht für den Verkehr zur Verfügung stehen, aber perspektivisch entsprechend genutzt werden könnten.

8)   Die Diskussion um die Velo-Route in Alt-Laatzen hat wie im Brennglas gezeigt, dass die Probleme an der Hildesheimer Straße in Alt-Laatzen tiefer liegen und nicht durch kurzfristige Maßnahmen zu beheben sind. Die Hildesheimer Straße durchschneidet als eine der am stärksten befahrenen Verkehrsachsen in Laatzen die Lebensräume der Menschen, trennt Wohngebiete vom Einzelhandel und ist vor allem durch niedrige Aufenthaltsqualitäten gekennzeichnet. Gleichzeitig ist die Verkehrsachsenfunktion durch bis zu fünf Ampeln auf 750 Metern ernsthaft in Frage gestellt („Mängel in der Durchlässigkeit“ gemäß Verkehrsentwicklungsplan – Handlungsprogramm Kfz-Verkehr, S. 5). Das jüngst eingerichtete Stadtquartiersmanagement ist ein wichtiger Schritt, um die sozialen Folgen dieser Barriere zu bearbeiten. Mittel- bis langfristig sollten jedoch darüberhinausgehend räumlich-integriert Alternativen entwickelt werden, die die Erreichbarkeit Laatzens aus Hannover und Hemmingen sicherstellen, aber gleichzeitig hochwertige Aufenthaltsqualitäten für die Menschen in Laatzen schaffen. Eine wichtige Rolle könnten dabei auf Pendlerverkehre ausgerichtete On-demand-Angebote spielen.

Ulrich Haarmann

Antrag:

 

Die Stadt Laatzen begleitet die Straßenbaulastträger Region Hannover und Land Niedersachsen bei einer etwaigen Verstetigung der Veloroute auf der Hildesheimer Straße in Alt-Laatzen.

Eine Verstetigung soll unter Berücksichtigung der Verkehrssicherheit, der Leichtigkeit des Verkehrs und den Anforderungen der Anlieger der Hildesheimer Straße erfolgen.

Der Rat der Stadt Laatzen fordert die Straßenbaulastträger und die Stadtverwaltung auf, insbesondere

1)    das Unfallgeschehen genau zu beobachten und die gefühlte Sicherheit aller Verkehrsteilnehmerinnen und -teilnehmer durch geeignete Maßnahmen weiter zu verbessern,

2)    nach Verstetigung der Veloroute durch geeignete Maßnahmen der Verkehrsüberwachung auf die Einhaltung der Verkehrsregeln zu dringen,

3)    dem Erhalt und der Entwicklung des Einzelhandels auf diesem Streckenabschnitt, insbesondere auf der westlichen Seite, hohe Priorität beizumessen und dazu praktikable Lösungen für die Erreichbarkeit für Liefer- und Kundenverkehr mit allen Verkehrsträgern zu entwickeln,

4)    den Engpass in südlicher Richtung an der Einmündung „Neue Straße“ mittels baulicher Umgestaltungen zu beseitigen,

5)    das Potenzial der Ampelschaltungen sowie von Grünpfeilen, „grünen Wellen“ und Fahrradampeln zur Verstetigung des Verkehrs auszuschöpfen.

und mittel- bis langfristig folgende Ziele anzustreben:

6)    Potenziale der räumlichen Planung zur Verkehrsmeidung und Stärkung der Nahversorgung im Quartier und in den Ortsteilen auszuschöpfen.

7)    zur Entlastung der Hildesheimer Straße weiterhin die Planung einer Radschnellverbindung ins Stadtzentrum von Hannover oder gleichwertige Lösungen voranzutreiben und denkbare Trassen planerisch zu sichern.

8)      die Entwicklung eines integrierten, verkehrsplanerische, städtebauliche, wirtschaftliche und soziale Aspekte umfassenden Konzeptes zur Aufwertung der Hildesheimer Straße zu entwickeln, um ergebnisoffen Handlungsoptionen im Zielkonflikt aus Verkehrsachsenfunktion und Barrierewirkung zwischen den Lebensräumen der Menschen in Alt-Laatzen gleichzeitig niedriger Aufenthaltsqualität zu entwickeln. Dabei ist die Bedeutung der Hildesheimer Straße für Pendlerinnen und Pendler aus dem Raum Hemmingen und die Erreichbarkeit der Arbeitsstätten in Laatzen besonders zu berücksichtigen und ggf. attraktive Alternativen zu entwickeln.

Bauliche Veränderungen sollen von den Straßenbaulastträgern mit den Gremien der Stadt Laatzen und den Trägern öffentlicher Belange, insbesondere Feuerwehr und Rettungsdienst, erörtert werden.