- Antrag der Gruppe SPD-Grüne-Linke im Rat
Begründung:
Am 09.07.2020 hat der Rat der
Stadt Laatzen beschlossen, dass die Stadtverwaltung mit den
Straßenbaulastträgern der Hildesheimer Straße Kontakt aufnimmt, um die
Einrichtung eines Pop-up-Radweges in Fahrtrichtung Norden im Bereich
Alt-Laatzen zu prüfen und einen Plan für einen Fahrradschnellweg
Laatzen-Hannover zu entwickeln. Bei diesen Gesprächen wurde die Idee geboren,
die damals geplante Veloroute 8 der Landeshauptstadt Hannover von der
Stadtgrenze bis zum Abzweig der Erich-Panitz-Straße als interkommunale
Veloroute im Rahmen eines Stadtexperiments zu verlängern.
Eröffnet wurde der Laatzener
Teil der interkommunalen Veloroute im Juni 2021, der Anschluss auf dem
Stadtgebiet Hannover im Oktober 2021. Die Diskussionen, die seitdem im
Verkehrswendeausschuss der Stadt Laatzen sowie in der Öffentlichkeit geführt
wurden, sowie die Ergebnisse der durchgeführten Befragungen, zeigen, dass das
Thema sehr umstritten bleibt. Obwohl die Mehrheit der Menschen in Laatzen an
dieser Stelle sowohl zu Fuß als auch mit Fahrrad und Auto unterwegs sein
dürfte, lassen sich deutliche Unterschiede in der Wahrnehmung unterscheiden:
·
Aus Sicht der Radfahrerinnen
und Radfahrer ist mit der Velo-Route vor allem ein Komfortgewinn verbunden. Der
Verkehrsentwicklungsplan der Stadt Laatzen weist darauf hin, dass der “alte”
Radweg teilweise artistische Fähigkeiten erfordert und nicht die erforderliche
Breite aufweist. Gleichzeitig fühlen sich vor allem Gelegenheitsradfahrer
weiterhin unsicher, wenn sie auf der Straße fahren sollen.
·
Für Fußgängerinnen und
Fußgänger bedeutet die Verlagerung des Radverkehrs auf die Straße einen
deutlichen Raumgewinn und sollte mit einem deutlichen Sicherheitsgewinn
einhergehen, der jedoch möglicherweise durch anhaltende Fehlnutzungen des
„alten“ Radwegs sich (noch) nicht in gefühlter Sicherheit niederschlägt.
·
Kraftfahrerinnen und
Kraftfahrer bemängeln längere Passierzeiten und längeres Warten an den Ampeln,
insbesondere im Berufsverkehr am Nachmittag.
·
Von Seiten der Anwohnerinnen
und Anwohner werden stärkere Emissionsbelastungen mit Schadstoffen und Lärm
durch längere Verweildauern der KFZ auf der Hildesheimer Straße moniert.
Gastronomie und Einzelhandel sorgen sich um die Erreichbarkeit für Kundinnen
und Kunden sowie den Lieferverkehr.
Die Ergebnisse der
Befragungen lassen unterschiedliche Interpretationen zu. Die weitere
Beobachtung der Situation erscheint dringend notwendig, um zu ermitteln, ob
sich Gewöhnungseffekte einstellen oder strukturelle Probleme verbleiben.
Gleichwohl hat das Pilotprojekt es ermöglicht die generelle Machbarkeit der
Radverkehrsführung auf der Fahrbahn zu testen und Schwachstellen zu
identifizieren. Die Erfahrungen aus dem Pilotprojekt sollten genutzt werden, um
schrittweise, aber mit langfristiger Perspektive und ganzheitlichem Denken
diesen, Alt-Laatzen durchschneidenden Raum fortzuentwickeln. Dazu sollten die
oben genannten Bausteine gehören.
Zur
Begründung im Einzelnen:
1)
die Abfragen der Nutzerinnen
und Nutzer haben ergeben, dass noch kein deutlicher Anstieg der gefühlten Sicherheit
gemessen werden konnte, was weiter beobachtet und durch geeignete Maßnahmen
gestärkt werden sollte.
2)
Aktuell
nutzen zahlreiche Radfahrerinnen und Radfahrer weiterhin den “alten” Radweg
oder fahren auf der falschen Straßenseite, während der Radfahrstreifen an
mehreren Stellen häufig zum (Kurzzeit)Parken und Halten genutzt wird. Im Sinne
der Verkehrssicherheit aller Verkehrsteilnehmerinnen und -teilnehmer sollte die
Verstetigung der Veloroute zum Anlass genommen werden, stärker auf die
Einhaltung der Verkehrsregeln zu dringen.
3)
Der Einzelhandel und die
Gastronomie an dieser Stelle leisten einen wichtigen Beitrag zur
Verkehrsvermeidung, zur barrierefreien Nahversorgung und zur Lebensqualität in
Alt-Laatzen, sind aber aufgrund der geringen Aufenthaltsqualität an dieser
Stelle und der Konkurrenz durch großflächigere Angebote, die regelmäßig östlich
der Hildesheimer Straße liegen, schwierigen Bedingungen ausgesetzt.
4)
In südlicher Richtung kommt
es an der Einmündung “Neue Straße” regelmäßig zu brenzligen Situationen, weil
infolge der Linksabbiegerspur der Radfahrstreifen sehr schmal ausgefallen ist.
Die Verlagerung des ruhenden Verkehrs zur Hälfte auf den ehemaligen Radweg
sorgt für Entlastung, aber weitere bauliche Maßnahmen (einschließlich
Rückverlegung des Ampelmastes) erscheinen notwendig, um die hier notwendigen
Breiten für alle Verkehrsteilnehmerinnen und –teilnehmer zu schaffen.
5)
Die Führung auf der Fahrbahn
führt dazu, dass auch Radfahrerinnen und Radfahrer an Ampeln halten müssen, wo
das vorher nicht der Fall war. Gleichzeitig kommt es zu sehr langen Rotphasen,
weil auch der Geradeausverkehr bei Querung der Kreuzung durch eine Straßenbahn
in der Regel rot hat, um eine Blockierung der Schienen durch Linksabbiegen zu
verhindern. An Stellen, an denen eine differenzierte Ampelschaltung für Rad-
und Kfz-Verkehr vertretbar erscheint, sollten die rechtlichen Möglichkeiten
ausgeschöpft werden. Generell könnten Hinweise zum zeitlichen Beginn der
nächsten Grünphase hier eine interessante Möglichkeit zur Verstetigung und
Verkehrsberuhigung bieten.
An den Ampeln Einmündung
“Alte Rathausstraße” und “Birkenstraße” kommt es in beiden Richtungen
regelmäßig zu sehr kurzen Rotphasen von max. 10 Sekunden Länge, ohne dass eine
Straßenbahn in der Nähe wäre. Dadurch werden alle Verkehrsteilnehmer im
Längsverkehr zum Halten gezwungen, ohne dass Fußgänger die Möglichkeit zur
Querung haben. Dies sollte überprüft werden.
6) Laatzen hat aufgrund seiner kompakten
Siedlungsstruktur und seiner guten Ausstattung mit Arbeitsplätzen, Bildungsstätten
und Einzelhandel bereits sehr gute Ausgangsbedingungen für eine
verkehrsvermeidende Raumentwicklung. Gleichwohl sollten weitere Potenziale ermittelt und genutzt werden, um Funktionsentmischung
zurückzufahren und die Stätten der Nahversorgung möglichst in unmittelbare Nähe
zu den Lebensräumen der Menschen zu planen.
7)
Die
Veloroute sollte nur als Zwischenschritt betrachtet werden. Um Fortschritte für
einen attraktiven Radverkehr zu erzielen und die gefühlte Sicherheit in
Alt-Laatzen zu erhöhen, ist ein weiterer Schritt notwendig, der wetter- und
winterfest konstante Geschwindigkeiten von mindestens 25 km/h für den Pendel-
und Berufsverkehr zulässt. Dabei sollten auch Flächen in den Blick genommen und
ggf. planerisch gesichert werden, die heute noch nicht für den Verkehr zur
Verfügung stehen, aber perspektivisch entsprechend genutzt werden könnten.
8)
Die Diskussion um die
Velo-Route in Alt-Laatzen hat wie im Brennglas gezeigt, dass die Probleme an
der Hildesheimer Straße in Alt-Laatzen tiefer liegen und nicht durch
kurzfristige Maßnahmen zu beheben sind. Die Hildesheimer Straße durchschneidet
als eine der am stärksten befahrenen Verkehrsachsen in Laatzen die Lebensräume
der Menschen, trennt Wohngebiete vom Einzelhandel und ist vor allem durch niedrige
Aufenthaltsqualitäten gekennzeichnet. Gleichzeitig ist die
Verkehrsachsenfunktion durch bis zu fünf Ampeln auf 750 Metern ernsthaft in
Frage gestellt („Mängel in der Durchlässigkeit“ gemäß Verkehrsentwicklungsplan
– Handlungsprogramm Kfz-Verkehr, S. 5). Das jüngst eingerichtete
Stadtquartiersmanagement ist ein wichtiger Schritt, um die sozialen Folgen
dieser Barriere zu bearbeiten. Mittel- bis langfristig sollten jedoch
darüberhinausgehend räumlich-integriert Alternativen entwickelt werden, die die
Erreichbarkeit Laatzens aus Hannover und Hemmingen sicherstellen, aber
gleichzeitig hochwertige Aufenthaltsqualitäten für die Menschen in Laatzen
schaffen. Eine wichtige Rolle könnten dabei auf Pendlerverkehre ausgerichtete
On-demand-Angebote spielen.
Ulrich Haarmann
Antrag:
Die
Stadt Laatzen begleitet die Straßenbaulastträger Region Hannover und Land
Niedersachsen bei einer etwaigen Verstetigung der Veloroute auf der
Hildesheimer Straße in Alt-Laatzen.
Eine Verstetigung soll unter
Berücksichtigung der Verkehrssicherheit, der Leichtigkeit des Verkehrs und den
Anforderungen der Anlieger der Hildesheimer Straße erfolgen.
Der Rat der Stadt Laatzen
fordert die Straßenbaulastträger und die Stadtverwaltung auf, insbesondere
1)
das Unfallgeschehen genau zu
beobachten und die gefühlte Sicherheit aller Verkehrsteilnehmerinnen und
-teilnehmer durch geeignete Maßnahmen weiter zu verbessern,
2)
nach
Verstetigung der Veloroute durch geeignete Maßnahmen der Verkehrsüberwachung
auf die Einhaltung der Verkehrsregeln zu dringen,
3)
dem Erhalt und der
Entwicklung des Einzelhandels auf diesem Streckenabschnitt, insbesondere auf
der westlichen Seite, hohe Priorität beizumessen und dazu praktikable Lösungen
für die Erreichbarkeit für Liefer- und Kundenverkehr mit allen Verkehrsträgern zu
entwickeln,
4)
den Engpass in südlicher
Richtung an der Einmündung „Neue Straße“ mittels baulicher Umgestaltungen zu
beseitigen,
5)
das Potenzial der
Ampelschaltungen sowie von Grünpfeilen, „grünen Wellen“ und Fahrradampeln zur
Verstetigung des Verkehrs auszuschöpfen.
und mittel- bis langfristig
folgende Ziele anzustreben:
6)
Potenziale der räumlichen
Planung zur Verkehrsmeidung und Stärkung der Nahversorgung im Quartier und in
den Ortsteilen auszuschöpfen.
7)
zur Entlastung der
Hildesheimer Straße weiterhin die Planung einer Radschnellverbindung ins
Stadtzentrum von Hannover oder gleichwertige Lösungen voranzutreiben und
denkbare Trassen planerisch zu sichern.
8) die Entwicklung eines integrierten, verkehrsplanerische,
städtebauliche, wirtschaftliche und soziale Aspekte umfassenden Konzeptes zur
Aufwertung der Hildesheimer Straße zu entwickeln, um ergebnisoffen
Handlungsoptionen im Zielkonflikt aus Verkehrsachsenfunktion und
Barrierewirkung zwischen den Lebensräumen der Menschen in Alt-Laatzen
gleichzeitig niedriger Aufenthaltsqualität zu entwickeln. Dabei ist die
Bedeutung der Hildesheimer Straße für Pendlerinnen und Pendler aus dem Raum
Hemmingen und die Erreichbarkeit der Arbeitsstätten in Laatzen besonders zu
berücksichtigen und ggf. attraktive Alternativen zu entwickeln.
Bauliche Veränderungen sollen von den Straßenbaulastträgern mit den Gremien der Stadt Laatzen und den Trägern öffentlicher Belange, insbesondere Feuerwehr und Rettungsdienst, erörtert werden.