- Umsetzung bei der Stadt Laatzen
Am
30.01.2019 wurde bekannt, dass auf einem Campingplatz im nordrhein‑westfälischen
Lügde‑Elbrinxen gegen eine große Anzahl von Kindern langjährig
sexualisierte Gewalt ausgeübt wurde. Im Verlauf der Untersuchungen wurde
bekannt, dass es bei der Arbeit der Strafverfolgungsbehörden, aber auch der
zuständigen Jugendämter, zu zahlreichen Versäumnissen gekommen ist. Dies hat
zumindest dazu beigetragen, dass die betroffenen Kinder nicht geschützt werden
konnten.
Der
Landespräventionsrat Niedersachsen hatte im Juni 2019 die Einrichtung
einer Kommission beschlossen. Diese hatte den Auftrag erhalten, die aus Anlass
der Missbrauchsfälle relevant gewordenen Strukturen und Prozesse zum Schutz von
Kindern einer kritischen, systematischen und strukturellen Analyse zu
unterziehen. Es sollten Empfehlungen für den Kinderschutz in Niedersachsen mit
dem Ziel entwickelt werden, dass strukturelle Fehler in Zukunft minimiert
werden. Die Lügde‑Kommission bestand aus Vertreter*innen der fachlich
betroffenen Ministerien sowie externen Expert*innen.
Der
Bericht der Lügde‑Kommission liegt seit dem 03.12.2020 vor und enthält
zahlreiche Empfehlungen an die Jugendämter, die Polizei, die Gerichte und das
Land.
Die
Kinder‑ und Jugendhilfe der Stadt Laatzen hat anhand der die Jugendhilfe
betreffenden Empfehlungen die internen Abläufe und Strukturen evaluiert und
teilweise präzisiert.
Folgende
Ergebnisse wurden aus den Empfehlungen abgeleitet:
·
Die
Verantwortlichkeiten im Verfahren der Überprüfung einer Kindswohlgefährdung
wurden präzisiert: Die Verantwortung für die Gefährdungseinschätzung liegt
stets bei der fallverantwortlichen Fachkraft. Die Fachaufsicht obliegt der
Teamleitung.
·
Die
Anforderungen an das Zusammenwirken mehrerer Fachkräfte wurden präzisiert: Die
Erstentscheidung, ob eine Meldung gewichtige Anhaltspunkte für eine
Kindeswohlgefährdung enthält, muss von der fallverantwortlichen Fachkraft mit
einer weiteren Fachkraft getroffen werden. Liegen gewichtige Anhaltspunkte für
eine Kindeswohlgefährdung vor, so muss die Gefährdungseinschätzung und die
Planung weiterer Schritte von drei Fachkräften durchgeführt werden. Mindestens
eine dieser Fachkräfte muss über Erfahrung im Kinderschutz verfügen. Die
Teamleitung ist zu beteiligen.
·
Bei
der Gefährdungseinschätzung soll erforderlichenfalls externe Expertise
einbezogen werden, z. B. durch Ansprache der Fachberatungsstellen der
Region Hannover oder der Rechtsmedizin der MHH.
·
Es
soll im Team durch gezielte Fortbildungen einzelner Mitarbeiter*innen
spezialisiertes Wissen (z. B. zum Thema häusliche Gewalt oder
sexualisierte Gewalt) aufgebaut werden. Diese Mitarbeiter*innen können dann als
interne Beratungsinstanzen fungieren und an den regionalen thematischen
Arbeitskreisen teilnehmen.
·
Die
Kommission empfiehlt Schritte für eine gelingende Zusammenarbeit der
Jugendhilfe und der Polizei. Diese Zusammenarbeit ist in Laatzen traditionell
sehr eng und kooperativ, so dass hier aus hiesiger Sicht keine Defizite
bestehen. Das vorgeschlagene jährliche Arbeitstreffen ist seit Jahren gelebte
Praxis. Die jeweiligen Ansprechpartner*innen sind bekannt und stehen in
regelmäßigem Austausch. Seitens der Polizei Hannover sind zusätzlich (als
Reaktion auf den Lügde‑Bericht) zwei weitere Mitarbeiter*innen den
Jugendämtern als Ansprechpartner*innen benannt worden.
·
Entscheidungen
über die Eignung von Bewerber*innen als Pflegeperson sollten im Vier‑Augen‑Prinzip
getroffen werden. Hier ist die Kinder‑ und Jugendhilfe im
Umsetzungsverfahren. Das wird dadurch erschwert, dass in Laatzen nur eine
Fachkraft für den Pflegekinderdient zuständig ist.
·
Aktenführung
und Dokumentation: In den Akten sollen nicht nur die vorhandenen Informationen
und Einschätzungen dokumentiert werden, sondern auch die Erwägungen und
Abwägungsvorgänge, die zu den Entscheidungen geführt haben. Es soll darauf
geachtet werden, dass Gefährdungsmitteilungen und Gefährdungseinschätzungen für
den weiteren Fallverlauf gut auffindbar dokumentiert sind.
Seit der Einführung der elektronischen Akte im Jugendamt stehen im
Kinderschutzverfahren den Mitarbeitenden alle Informationen unmittelbar zur
Verfügung. Die Qualität der Aktenführung wird regelmäßig evaluiert. Regeln für
die Bezeichnung und Verortung von Informationen präzisiert.
·
Fortbildung
und Supervision sieht die Kommission als wesentlich für jedes Jugendamt an.
Dies ist in Laatzen gewährleistet und wird inhaltlich im fachlichen Diskurs
ausgestaltet.
Die
Kinder‑ und Jugendhilfe hat sich in den vergangenen Jahren
weiterentwickelt. So hat sich das pädagogische Gesamtteam mittlerweile in fünf
pädagogischen Fachdiensten organisiert (Allgemeiner Sozialer Dienst,
Jugendhilfe im Strafverfahren, Eingliederungshilfe, Familiengerichtshilfe &
Beratung, Pflegekinderdienst & Vormundschaften). Diese sind aufgrund ihrer
geringeren Personenanzahl gut in der Lage, die fachliche Entwicklung gemeinsam
mit der Teamleitung im kontinuierlichen Diskurs zu reflektieren. So können
Abläufe, Strukturen und Haltungen ständig weiterentwickelt werden.
Der ASD
als für den Kinderschutz zuständiger Fachdienst hat aktuelle Materialien und
Arbeitshilfen geprüft und in die Abläufe bei Gefährdungseinschätzungen
integriert. Insofern erscheint die Kinder‑ und Jugendhilfe auch für
künftige Gefährdungseinschätzungen gut gerüstet.
Im
Auftrag
Thomas
Schrader