- Durchsetzung der auf das Land übergegangenen Unterhalts-
ansprüche nach § 7 Abs. 3 Unterhaltsvorschußgesetz
- Bekanntgabe des wesentlichen Inhalts und Auslegung gemäß
§ 5 Abs. 1 und 2 NKPG
In der Zeit vom 13.05.2019 bis zum 16.05.2019 fand durch den
Niedersächsischen Landesrechnungshof eine überörtliche Prüfung der
Unterhaltsvorschussstelle zum Thema „Durchsetzung der auf das Land
übergegangenen Unterhaltsansprüche nach § 7 Abs. 3
Unterhaltsvorschussgesetz (UVG)“ statt.
Die vollständige Prüfungsmitteilung liegt der Unterhaltsvorschussstelle
seit dem 14.09.2020 vor. Vorab wurde der Stadt die Möglichkeit zur
Stellungnahme gegeben. Seitens der Stadt wurde hierauf verzichtet.
Die Zusammenfassung über den wesentlichen Inhalt der Prüfungsmitteilung
ist nach § 5 Abs. 1Satz 1 NKPG dem Rat bekannt zu
geben. Die Prüfungsmitteilung ist der Drucksache als Anlage 1 beigefügt.
Nach der Bekanntgabe hat die Stadt die Prüfungsmitteilung an sieben Werktagen
öffentlich auszulegen. Die Auslegung ist ortsüblich bekannt zu machen
(§ 5 Abs. 2 NKPG).
Für die Durchführung des UVG sind die Gemeinden zuständig, die ein
Jugendamt errichtet haben, im Übrigen die Landkreise.
Mit der Reform zum 01.07.2017 weitete der Gesetzgeber den
anspruchsberechtigten Personenkreis, der Unterhaltsleistungen nach dem
Unterhaltsvorschussgesetz beziehen kann, von Kindern bis zur Vollendung des
12. Lebensjahres auf Kinder bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres
aus. Zudem wurde die Begrenzung auf maximal 72 Monate Leistungsbezug
aufgehoben. Nach dieser Reform hat sich die Zahl der Anträge mehr als
verdoppelt.
Die gestiegenen Fallzahlen führten zu einer deutlich höheren
finanziellen Belastung von Bund, Ländern und Kommunen. Einer Statistik des
Bundesministeriums für Familien, Senioren, Frauen und Jugend zufolge sind die
Ausgaben für die UVG‑Leistungen bundesweit vom Jahr 2016 bis zum
Jahr 2018 von rund 861 Mio. € auf rund 2,1 Mrd. €
gestiegen. In diesem Zeitraum erhöhten sich in Niedersachsen die Ausgaben für
die UVG‑Leistungen von rund 85 Mio. € auf rund
224 Mio. €, zeitgleich sank die Rückgriffsquote von
durchschnittlich 23 % auf 13 %. In der Stadt Laatzen betrug die
Rückgriffsquote im Jahr 2016 = 17,51 %, im
Jahr 2018 = 12,95 %. Die prozentuale Veränderung der
Rückgriffsquote in Niedersachsen entsprach der Entwicklung auf Bundesebene.
Im Januar 2017 beschlossen Bund und Länder, gemeinsame Standards
zur Verbesserung des Rückgriffs zu vereinbaren. Das Land Niedersachsen, der
Niedersächsische Landkreistag sowie der Niedersächsische Städtetag
verständigten sich am 09.05.2019 im Wege des „Niedersächsischen
Rückgriffspakts“ auf eine standardisierte Vorgehensweise und
Qualitätsstandards beim Rückgriff. Dadurch soll der Rückgriff nachhaltig verbessert
und die im Jahr 2018 in Niedersachsen auf durchschnittlich 13 %
gesunkene Rückgriffsquote gesteigert werden.
Die Prüfung sollte feststellen, ob der Rückgriff beim
unterhaltspflichtigen Elternteil rechtzeitig und vollständig erfolgt und die
Verjährung von Unterhaltsforderungen systematisch verhindert wird. Zudem bezog
sich die Prüfung auf die qualitative und quantitative personelle Ausstattung
der Unterhaltsvorschussstellen. Daneben dient die Prüfung dem Zweck, unter
anderem Empfehlungen für einen effizienten Rückgriff beim unterhaltspflichtigen
Elternteil zu geben. Die überörtliche Prüfung wurde 2019 in 14 niedersächsischen
Landkreisen und Kommunen durchgeführt.
Wesentliche, die Stadt Laatzen betreffende Prüfungsergebnisse:
Beanstandet wurde,
-
dass
die Stadt Laatzen entgegen Ziffer 7.1.2 Nr. 2 der Richtlinien zum UVG (fiktive
Leistungsfähigkeit) die familienfernen Elternteile, die SGB II‑Leistungen bezogen,
bereits bei Vorlage des Leistungsbescheides als leistungsunfähig betrachtete,
ohne dass diese Erwerbsbemühungen nachweisen mussten. (vgl. Abschnitt 6.3 Tz. 27)
Der Unterhaltsanspruch geht aber nur insoweit über, als der
Unterhaltspflichtige leistungsfähig ist. Ein Rückgriff kann daher nur gelingen,
wenn der familienferne Elternteil leistungs‑ und zahlungsfähig ist. Eine
fiktive Leistungsfähigkeit beeinflusst jedoch keinesfalls die
Zahlungsfähigkeit, SGB II‑Empfänger bleiben zahlungsunfähig.
-
dass
unter anderem auch die Stadt Laatzen den § 7 a UVG nicht oder nicht korrekt anwendet. (vgl.
Abschnitt 6.5 Tz. 47)
Durch die Reform des UVG im Jahr 2017 wurde § 7 a in das UVG
eingefügt. Danach wird der gem.
§ 7 UVG übergegangene Unterhaltsanspruch nicht verfolgt, wenn der
familienferne Elternteil Leistungen nach dem SGB II bezieht und über kein
eigenes Einkommen im Sinne von § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II
verfügt.
In der Gesetzesbegründung wurde ausgeführt, dass die Verfolgung, konkret die
Vollstreckung, des Unterhaltsanspruchs entfällt, da wegen aktueller
tatsächlicher Leistungsunfähigkeit oder Zahlungsunfähigkeit kein Unterhalt
beigetrieben werden kann.
In der Bund-Länder-Tagung zum UVG im Mai 2020 votierten die Länder dafür,
den § 7 a UVG bei der nächsten Gelegenheit zu streichen.
Aufgrund des Problems der einheitlichen Anwendung ist der
§ 7 a UVG nach Meinung der Länder wenig hilfreich.
Weiterhin werden hinsichtlich der Stadt Laatzen in dem Bericht folgende Punkte
angemerkt:
-
Inverzugsetzung
und Rechtswahrungsanzeige (vgl. Abschnitt 6.1 Tz.21) ‚
Der familienferne Elternteil ist unmittelbar nach der Antragstellung über den
Antrag in Kenntnis zu setzen und entsprechend zu belehren (Inverzugsetzung).
Zum Zweck der Beweissicherung ist die Inverzugsetzung förmlich nach dem Verwaltungszustellungsgesetz zuzustellen.
Dem familienfernen Elternteil ist die Bewilligung der UVG-Leistungen
schriftlich mitzuteilen. Diese Mitteilung über die Leistungsbewilligung ist
eine Rechtswahrungsanzeige, die
ebenfalls zum Zwecke der Beweissicherung förmlich zuzustellen ist.
Das Inverzugsetzungsschreiben an den unterhaltspflichtigen Elternteil wird
immer förmlich zugestellt. Die Rechtswahrungsanzeige wurde aus Kostengründen
grundsätzlich mit einfachem
Brief übersandt. Nun werden beide Schreiben förmlich zugestellt.
-
Ordnungswidrigkeitenverfahren
(vgl. Abschnitt 6.2 Tz.24)
Der familienferne Elternteil unterliegt den in § 6 UVG festgelegten
Auskunftspflichten. Kommt er
diesen Auskunftspflichten nicht nach, handelt er bei Vorliegen der
Voraussetzungen des § 10 UVG ordnungswidrig. Dies kann mit einer Geldbuße
geahndet werden. Es wurde festgestellt, dass unter anderem auch die Stadt Laatzen
von der Möglichkeit, ein Ordnungswidrigkeitenverfahren einzuleiten, keinen
Gebrauch macht.
-
Unterhaltsrechtlicher
Vermerk (vgl. Abschnitt 6.3 Tz.29)
Bei der Überprüfung der Leistungsfähigkeit ist gemäß den Richtlinien zu
beachten, dass gegenüber Minderjährigen eine erhöhte Leistungsverpflichtung
besteht. Das bedeutet, dass alle verfügbaren Maßnahmen unternommen werden
müssen, um ein ausreichendes Einkommen zu erzielen.
Es wurde empfohlen, dass unter anderem auch von der Stadt Laatzen die Ergebnisse
der Prüfungen der Leistungsfähigkeit nachvollziehbar in einem unterhaltsrechtlichen Vermerk festzuhalten sind.
Diese Empfehlung bezieht sich auf Fälle, in denen Unterlagen vorgelegt werden,
die die Leistungsunfähigkeit des familienfernen Elternteils belegen sollen.
Im Rückgriffspakt wurde als Arbeitshilfe ein Muster für einen
unterhaltsrechtlichen Vermerk zur Verfügung gestellt. Diese Empfehlung wird
künftig unter Verwendung der Arbeitshilfe beachtet.
-
Titulierung
von übergegangenen Unterhaltsansprüchen (vgl. Abschnitt 6.4 Tz. 35)
Gemäß den Richtlinien ist zur Durchsetzung des Unterhaltsanspruchs nach Ablauf
der im Auskunftsersuchen gesetzten Frist oder nach Eingang der Auskunft umgehend ein Unterhaltstitel zu erwirken.
Es wurde empfohlen, konsequent und zeitnah in jedem Fall Unterhaltstitel zu erwirken, um die Möglichkeit der Vollstreckung zu
schaffen.
-
Vollstreckung
(vgl. Abschnitt 6.5 Tz.40)
Grundsätzlich sind gem. Ziffer 7.8. der Richtlinien bei ausreichendem
Einkommen des familienfernen Elternteils rückständige Forderungen zu
vollstrecken.
Es wurde empfohlen, nach Vorliegen eines vollstreckbaren Unterhaltstitels die
übergegangenen Unterhaltsansprüche zeitnah und konsequent zu vollstrecken.
-
Verzinsung
(vgl. Abschnitt 6.7 Tz.55)
Kommt der familienferne Elternteil seinen Zahlungsverpflichtungen auch nach
Mahnung der UV‑Stelle nicht nach, so gerät er
gem. § 286 BGB in Verzug. Die UV‑Stellen können somit
gem. § 288 BGB Verzugszinsen geltend machen. Gem.
Ziffer 7.4.1. der Richtlinien sind bei Verzug oder Rechtshängigkeit die
Ansprüche grundsätzlich zu verzinsen.
Die geprüften Kommunen teilten den unterhaltspflichtigen Elternteilen in ihren
Zahlungsaufforderungen mit, dass im Falle des Verzugs Zinsen zu zahlen sind.
Eine Zinsberechnung bzw. Zinsfestsetzung fand in der Regel nicht statt.
Es wurde den Kommunen, die bisher keine oder nur vereinzelt Zinsen erhoben
haben, empfohlen, zukünftig Zinsberechnungen und Zinsfestschreibungen
vorzunehmen.
Die UV‑Stelle der Stadt Laatzen hat bisher bei Maßnahmen des Rückgriffs
auf Unterhaltspflichtige eine Wirtschaftlichkeitsbetrachtung
vorgenommen. Hierbei wurde bewertet, ob die möglichen Maßnahmen in einem
wirtschaftlich sinnvollen Verhältnis zum zu erwartenden
Ertrag stehen. Um die Prüfungsempfehlungen und die „Qualitätsstandards aus dem
Rückgriffspakt“ umzusetzen, kann diese Wirtschaftlichkeitsabwägung künftig
nicht aufrechterhalten werden. Für die zusätzlich geforderten Maßnahmen zur Verbesserung
des Unterhaltsrückgriffs ist auch eine erhöhte Personalausstattung
erforderlich. Mit dem vorhandenen Personal in der UV‑Stelle sind die
zusätzlich geforderten Maßnahmen nicht leistbar.
In diesem Zusammenhang bemerkenswert ist die Tatsache, dass
der Prüfungsbericht in der Gesamtschau aller 14 geprüften UV‑Stellen
folgendes kritisches Fazit bezüglich des Aufwands für den Vollzug des UVG
zieht:
„Die Bearbeitung des Rückgriffs mache nach Aussage der Bundesregierung
über 75 % des Verwaltungsaufwands für den Unterhaltsvorschuss aus.
Gleichwohl stehen den UVG‑Leistungen in der Praxis nur sehr geringe
Einnahmen gegenüber, weil die familienfernen Elternteile keine Rückzahlung
leisten (können). In diesem Kontext stellt sich die Frage der Verhältnismäßigkeit
des Verwaltungsaufwands (…) Der Rückgriff scheitert häufig an der
fehlenden Leistungs‑ und/oder Zahlungsfähigkeit der familienfernen Elternteile.
Angesichts dessen drängt sich die Frage auf, welcher Verwaltungsaufwand hierfür
angemessen ist, zumal die UV-Stellen die Leistungs- und Zahlungsfähigkeit kaum
beeinflussen können.“ (siehe Anlage, Prüfbericht Seiten 32 ff.)
Im Auftrag
Thomas Schrader
Anlage