Mit
der Drucksache 2012/165 wurde erstmals ausführlich über die
Ursachen und Auswirkungen von Schulabsentismus und die Datenlage der
Schulpflichtüberwachung in Laatzen berichtet. Ein weiterer Bericht folgte 2015
(D.‑Nr.: 2015/042).
Mit dieser Drucksache wird nunmehr die Fortschreibung der statistischen Daten
bis einschließlich 2017 vorgelegt.
Zwar existiert in der Fachdiskussion keine
einheitliche Definition, es besteht jedoch Konsens, dass unter dem Begriff
Schulabsentismus zu unterscheiden ist zwischen (gelegentlichem) Schulschwänzen
und Schulverweigerung.
Während als Schulschwänzen ein unerlaubtes
Fernbleiben vom Unterricht an bis zu fünf Tagen pro Jahr bezeichnet wird, geht
Schulverweigerung mit emotionalen Verhaltensproblemen und psychogenen oder
psychosomatischen Veränderungen bei den Betroffenen einher. Im Ergebnis
verschiedener empirischer Studien wird davon ausgegangen, dass das
gelegentliche Schulschwänzen eine sehr verbreitete, von fast 50 % der Schülerinnen
und Schüler praktizierte Angelegenheit darstellt und eher episodenhaft ist. Als
Schulverweigerer werden vier bis sieben Prozent der Schülerinnen und Schüler
eingestuft. Dabei gibt es keine signifikanten geschlechtsspezifischen
Unterschiede, allerdings nimmt die Häufigkeit mit zunehmendem Alter in allen
Schulformen zu und ist auch abhängig von der besuchten Schulform.
Absentismus ist insbesondere ein Problem der
berufsbildenden Schulen. Nahezu die Hälfte der Anzeigen und der Fehltage
entfällt auf den Personenkreis der Berufsschülerinnen und Berufsschüler. Die Gymnasien
sind am geringsten betroffen.
Zu den häufigsten Motiven für das
Schulschwänzen zählen die Vermeidung von Leistungskontrollen, die Ablehnung der
Schule als Ganzes, Konflikte mit Lehrpersonen oder Gewalterfahrungen durch
Mitschülerinnen und Mitschüler.
Fehlzeitenstatistik
(Anzeigen von Schulen) |
2010 |
2012 |
2014 |
2016 |
2017 |
Schulform |
Anzeigen/ Fehltage |
Anzeigen/
Fehltage |
Anzeigen/ Fehltage |
Anzeigen/ Fehltage |
Anzeigen/ Fehltage |
Grundschulen |
2 / 30 |
2 / 13 |
18 / 152 |
14 / 119 |
14 / 60 |
Hauptschulen |
12 / 358 |
38 / 902 |
20 / 410 |
39 / 841 |
55 / 750 |
Realschulen |
23 / 478 |
15 / 152 |
12 / 262 |
9 / 138 |
6 / 145 |
Gymnasien |
0 / 0 |
2 / 104 |
5 / 100 |
0 / 0 |
1 / 8 |
Förderschulen |
10 / 185 |
5 / 71 |
1 / 25 |
4 / 99 |
13 / 120 |
Berufsschulen |
59 / 1.324 |
31 / 830 |
37 / 1.071 |
28 / 633 |
18 / 462 |
sonstige
Auswärtige |
nicht erfasst |
1 / 33 |
9 /173 |
7 / 217 |
4 / 124 |
insgesamt |
106 / 2.375 |
94 / 2.152 |
102 / 2.193 |
101
/ 2.047 |
111 / 1.669 |
|
|||||
Anzeigen insgesamt |
106 |
94 |
102 |
101 |
111 |
davon
weiblich |
33 |
49 |
33 |
39 |
46 |
davon
männlich |
73 |
45 |
69 |
62 |
65 |
verteilt auf
Schüler |
54 |
62 |
64 |
70 |
79 |
davon mit
mehr als 5 Fehltagen |
54 |
59 |
54 |
85 |
94 |
|
|
||||
Migrationshintergrund |
29 |
52 |
44 |
38 |
47 |
weiblich |
10 |
26 |
15 |
18 |
22 |
männlich |
19 |
26 |
29 |
20 |
25 |
|
|
||||
aus
Haushalten von Alleinerziehenden |
62 |
32 |
36 |
33 |
38 |
Kinder unter
14 Jahre |
15 |
7 |
20 |
18 |
16 |
|
|||||
Dauerschwänzer
(50 und mehr Fehltage) |
14 |
11 |
10 |
10 |
7 |
Anzeigen |
33 |
30 |
37 |
25 |
20 |
Fehltage |
1.081 |
904 |
1001 |
866 |
565 |
Anteil an
allen Fehltg. in % |
45,2 % |
42,01 % |
45,65 % |
42,31 % |
33,85 % |
|
|||||
Anhörungen |
148 |
128 |
127 |
137 |
153 |
Bußgeldbescheide |
106 |
108 |
109 |
106 |
124 |
Abgabe an
Jugendgericht |
54 |
61 |
53 |
46 |
73 |
Abgabe an
Amtsgericht |
0 |
5 |
0 |
0 |
0 |
|
|||||
Festgesetze
Bußgelder |
29.148 € |
31.073 € |
19.351 € |
29.557 € |
27.760 € |
gezahlte
Bußgelder |
8.656 € |
12.265 € |
9.743 € |
9.513 € |
11.916 € |
Fehlzeitenstatistik
|
2013 |
2014 |
2015 |
2016 |
2017 |
Schulpflichtüberwachung |
|
|
|
|
|
-
Familien angeschrieben |
nicht erfasst |
200 |
276 |
247 |
263 |
-
Anhörungen |
11 |
12 |
22 |
16 |
13 |
-
Bußgeldbescheide / Fehltage |
3 / 247 |
4 / 217 |
5 / 592 |
7 / 432 |
5 / 202 |
-
Abgabe an Jugendgericht |
0 |
3 |
1 |
6 |
2 |
Sprachförderkinder |
1 |
2 |
0 |
0 |
0 |
-
Bußgeldbescheide |
1 |
2 |
0 |
0 |
0 |
Schulkindergarten |
0 |
1 |
0 |
0 |
0 |
- Bußgeldbescheide |
0 |
1 |
0 |
0 |
0 |
Ansetzend an der Schnittstelle Schule ‑ Kinder‑
und Jugendhilfe, gibt es in Laatzen seit einigen Jahren ein abgestimmtes System
zum Umgang mit Schulabsentismus. Neben den zumeist vorgeschalteten internen
Regelungen der Laatzener Schulen ist ein Kernpunkt die rasche Reaktion in Form
der Benachrichtigung der für die Bearbeitung der Schulpflichtverletzungen
zuständigen Stelle. Seit Ende 2009 wird diese Aufgabe im Team
Kinder, Jugend, Familie, Senioren und Soziale Sicherung wahrgenommen. Hierdurch
ist vor allem ein kurzer Abstimmungsprozess mit der Kinder‑ und
Jugendhilfe zur Einleitung möglicher Hilfs‑ und Unterstützungsangebote
gewährleistet. Die weitere Vorgehensweise wird im Folgenden
beschrieben:
Schulabsentismus:
Die Schulen zeigen die Verletzung der Schulpflicht gemäß § 176 Niedersächsisches Schulgesetz in Verbindung mit dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten (OWiG) bei der Stadt Laatzen an.
Aufgrund der Anzeige werden Anhörungen an den Schüler bzw. die Schülerin und die Personensorgeberechtigten verschickt. Diese haben die Möglichkeit, sich zu der Ordnungswidrigkeit zu äußern. Hierbei ist zu beachten, dass Schülerinnen und Schüler die das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, nicht angehört oder bebußt werden können, da Kinder unter 14 Jahren nicht vorwerfbar handeln können. § 12 OWIG schließt die Ahndung mit einer Geldbuße für diesen Personenkreis aus. Die Kinder‑ und Jugendhilfe erhält von der Anhörung eine Durchschrift.
Nach Ablauf der Anhörungsfrist wird, sofern keine Belege von den Betroffenen er-bracht werden (ärztliche Atteste), ein Bußgeldbescheid erlassen. Das Bußgeld für Schüler beträgt je Fehltag 5,00 € und ab dem 20. Fehltag 10 €. Für die Personensorgeberechtigten beträgt es je Fehltag 2,50 € und ab dem 20. Fehltag 5,00 €. Bei einer eigenmächtigen Ferienverlängerung beträgt das Bußgeld bis 3 Fehltage 25,00 €/Tag, 50,00 €/Tag für 4 ‑ 6 Tage und 75,00 € für 6 ‑ 8 Tage. Ab dem 9. Fehltag ist die Bußgeldhöhe eine Einzelfallentscheidung, hiervon musste bisher jedoch noch kein Gebrauch gemacht werden. Die Kinder‑ und Jugendhilfe sowie die Schulen erhalten vom Bußgeldbescheid eine Durchschrift.
Bei Familien, die bereits von der Kinder‑ und Jugendhilfe betreut werden, wird vor Erlass des Bußgeldbescheides nachgefragt, ob die Eltern für die Handlungen der Kinder mitverantwortlich sind oder ein Bußgeld die familiäre Situation verschlimmern würde.
Sofern der Bußgeldbescheid bestandskräftig geworden ist und das Bußgeld nicht bezahlt wurde, wird der Vorgang an das zuständige Jugendgericht abgegeben. Dieses hat die Möglichkeit, das Bußgeld in Sozialstunden umzuwandeln (§ 98 OWIG). Sofern dies geschieht weist die Jugendgerichtshilfe den Schülern Einsatzstellen zu. Sofern die Jugendlichen der Anordnung nicht nachkommen und auch die Geldbuße nicht bezahlen, wird Jugendarrest verhängt. Im Fall der Personensorgeberechtigten werden offene Bußgelder über 100 € an das Amtsgericht abgegeben. Dieses hat die Möglichkeit Erzwingungshaft anzuordnen. Sofern das Bußgeld unter 100 € liegt, wird die Beitreibung der Forderung zunächst über die Vollstreckungsstelle versucht. Sofern Anträge auf Ratenzahlungen vorliegen, werden die Anträge bei den Gerichten nach Eingang der ersten Rate zurückgenommen. Sollte eine Ratenzahlung dann widerrufen wird, werden die Vorgänge wieder an das Jugend‑ bzw. Amtsgericht abgegeben. In Einzelfällen wird vom Gericht bei der Kinder- und Jugendhilfe angefragt, ob bezüglich der Erfüllung der Schulpflicht Eingriffe in das Sorgerecht erfolgen sollten. Wird dies bejaht, wird für diesen Teilbereich der Personensorge durch das Gericht ein Ergänzungspfleger bestellt.
Schulpflichtüberwachung:
Die Stadt Laatzen überwacht seit Anfang des Jahres 2011 aktiv die Schulpflicht von neu zugezogenen Schülern in das Stadtgebiet. Einmal monatlich werden die auf Zuzugslisten erfassten Schüler angeschrieben und um die Vorlage einer Bescheinigung von der aktuell besuchten Schule gebeten. Sofern die Familie nicht auf das erste Schreiben reagiert, erfolgt eine Erinnerung. Erfolgt auch hierauf keine Rückmeldung, so wird die Familie in Form einer Anhörung davon in Kenntnis gesetzt, dass beabsichtigt wird, einen Bußgeldbescheid zu erlassen, da davon ausgegangen werden muss, dass das Kind zurzeit keine Schule besucht. In der Praxis erbringen die Familien bislang spätestens bei Erhalt der Anhörung einen Schulnachweis, in einigen wenigen Fällen mussten jedoch auch Bußgeldbescheide im Bereich Schulpflichtüberwachung erlassen werden.
Ziel des strukturierten Ablaufprozesses ist
es, mögliche Gefährdungspotentiale frühzeitig zu erkennen, um so gezielt
konkrete Hilfs‑ und Unterstützungsmaßnahmen, z. B. in Form erzieherischer
Hilfen nach dem Kinder‑ und Jugendhilfegesetz, anbieten und einleiten zu
können. Hierfür ist eine enge Zusammenarbeit aller Beteiligten und ein schnelles
Reagieren bei Fehlzeiten erforderlich.
Im Auftrag
Thomas Schrader