Betreff
Schulabsentismus/Schulpflichtüberwachung
Vorlage
2018/067
Art
Mitteilung

 

Mit der Drucksache 2012/165 wurde erstmals ausführlich über die Ursachen und Auswirkungen von Schulabsentismus und die Datenlage der Schulpflichtüberwachung in Laatzen berichtet. Ein weiterer Bericht folgte 2015 (D.Nr.: 2015/042). Mit dieser Drucksache wird nunmehr die Fortschreibung der statistischen Daten bis einschließlich 2017 vorgelegt.

 

Zwar existiert in der Fachdiskussion keine einheitliche Definition, es besteht jedoch Konsens, dass unter dem Begriff Schulabsentismus zu unterscheiden ist zwischen (gelegentlichem) Schulschwänzen und Schulverweigerung.

 

Während als Schulschwänzen ein unerlaubtes Fernbleiben vom Unterricht an bis zu fünf Tagen pro Jahr bezeichnet wird, geht Schulverweigerung mit emotionalen Verhaltensproblemen und psychogenen oder psychosomatischen Veränderungen bei den Betroffenen einher. Im Ergebnis verschiedener empirischer Studien wird davon ausgegangen, dass das gelegentliche Schulschwänzen eine sehr verbreitete, von fast 50 % der Schülerinnen und Schüler praktizierte Angelegenheit darstellt und eher episodenhaft ist. Als Schulverweigerer werden vier bis sieben Prozent der Schülerinnen und Schüler eingestuft. Dabei gibt es keine signifikanten geschlechtsspezifischen Unterschiede, allerdings nimmt die Häufigkeit mit zunehmendem Alter in allen Schulformen zu und ist auch abhängig von der besuchten Schulform.

 

Absentismus ist insbesondere ein Problem der berufsbildenden Schulen. Nahezu die Hälfte der Anzeigen und der Fehltage entfällt auf den Personenkreis der Berufsschülerinnen und Berufsschüler. Die Gymnasien sind am geringsten betroffen.

 

Zu den häufigsten Motiven für das Schulschwänzen zählen die Vermeidung von Leistungskontrollen, die Ablehnung der Schule als Ganzes, Konflikte mit Lehrpersonen oder Gewalterfahrungen durch Mitschülerinnen und Mitschüler.

 

Fehlzeitenstatistik (Anzeigen von Schulen)

2010

2012

2014

2016

2017

Schulform

Anzeigen/

Fehltage

Anzeigen/ Fehltage

Anzeigen/

Fehltage

Anzeigen/

Fehltage

Anzeigen/

Fehltage

Grundschulen

2 / 30

2 / 13

18 / 152

14 / 119

14 / 60

Hauptschulen

12 / 358

38 / 902

20 / 410

39 / 841

55 / 750

Realschulen

23 / 478

15 / 152

12 / 262

9 / 138

6 / 145

Gymnasien

0 / 0

  2 / 104

5 / 100

0 / 0

1 / 8

Förderschulen

10 / 185

5 / 71

1 / 25

4 / 99

13 / 120

Berufsschulen

59 / 1.324

31 / 830

37 / 1.071

28 / 633

18 / 462

sonstige Auswärtige

nicht erfasst

1 / 33

9 /173

7 / 217

4 / 124

insgesamt

106 / 2.375

94 / 2.152

102 / 2.193

101 / 2.047

111 / 1.669

 

Anzeigen insgesamt

106

94

102

101

111

davon weiblich

33

49

33

39

46

davon männlich

73

45

69

62

65

verteilt auf Schüler

54

62

64

70

79

davon mit mehr als 5 Fehltagen

54

59

54

85

94

 

 

Migrationshintergrund

29

52

44

38

47

weiblich

10

26

15

18

22

männlich

19

26

29

20

25

 

 

aus Haushalten von

Alleinerziehenden

62

32

36

33

38

Kinder unter 14 Jahre

15

7

20

18

16

 

Dauerschwänzer (50 und

mehr Fehltage)

14

11

10

10

7

Anzeigen

33

30

37

25

20

Fehltage

1.081

904

1001

866

565

Anteil an allen Fehltg. in %

45,2 %

42,01 %

45,65 %

42,31 %

33,85 %

 

Anhörungen

148

128

127

137

153

Bußgeldbescheide

106

108

109

106

124

Abgabe an Jugendgericht

54

61

53

46

73

Abgabe an Amtsgericht

0

5

0

0

0

 

Festgesetze Bußgelder

29.148 €

31.073 €

19.351 €

29.557 €

27.760 €

gezahlte Bußgelder

  8.656 €

12.265 €

9.743 €

9.513 €

11.916 €

 

 

 

Fehlzeitenstatistik

2013

2014

2015

2016

2017

Schulpflichtüberwachung

 

 

 

 

-       Familien angeschrieben

nicht erfasst

200

276

247

263

-       Anhörungen

11

12

22

16

13

-       Bußgeldbescheide / Fehltage

3 / 247

4 / 217

5 / 592

7 / 432

5 / 202

-       Abgabe an Jugendgericht

0

3

1

6

2

Sprachförderkinder

1

2

0

0

0

-       Bußgeldbescheide

1

2

0

0

0

Schulkindergarten

0

1

0

0

0

-       Bußgeldbescheide

0

1

0

0

0

 

 

Ansetzend an der Schnittstelle Schule  Kinder‑ und Jugendhilfe, gibt es in Laatzen seit einigen Jahren ein abgestimmtes System zum Umgang mit Schulabsentismus. Neben den zumeist vorgeschalteten internen Regelungen der Laatzener Schulen ist ein Kernpunkt die rasche Reaktion in Form der Benachrichtigung der für die Bearbeitung der Schulpflichtverletzungen zuständigen Stelle. Seit Ende 2009 wird diese Aufgabe im Team Kinder, Jugend, Familie, Senioren und Soziale Sicherung wahrgenommen. Hierdurch ist vor allem ein kurzer Abstimmungsprozess mit der Kinder‑ und Jugendhilfe zur Einleitung möglicher Hilfs‑ und Unterstützungsangebote gewährleistet. Die weitere Vorgehensweise wird im Folgenden beschrieben:

 

Schulabsentismus:

 

Die Schulen zeigen die Verletzung der Schulpflicht gemäß § 176 Niedersächsisches Schulgesetz in Verbindung mit dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten (OWiG) bei der Stadt Laatzen an.

 

Aufgrund der Anzeige werden Anhörungen an den Schüler bzw. die Schülerin und die Personensorgeberechtigten verschickt. Diese haben die Möglichkeit, sich zu der Ordnungswidrigkeit zu äußern. Hierbei ist zu beachten, dass Schülerinnen und Schüler die das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, nicht angehört oder bebußt werden können, da Kinder unter 14 Jahren nicht vorwerfbar handeln können. § 12 OWIG schließt die Ahndung mit einer Geldbuße für diesen Personenkreis aus. Die Kinder‑ und Jugendhilfe erhält von der Anhörung eine Durchschrift.

 

Nach Ablauf der Anhörungsfrist wird, sofern keine Belege von den Betroffenen er-bracht werden (ärztliche Atteste), ein Bußgeldbescheid erlassen. Das Bußgeld für Schüler beträgt je Fehltag 5,00 € und ab dem 20. Fehltag 10 €. Für die Personensorgeberech­tigten beträgt es je Fehltag 2,50 € und ab dem 20. Fehltag 5,00 €. Bei einer eigenmächtigen Ferienverlängerung beträgt das Bußgeld bis 3 Fehltage 25,00 €/Tag, 50,00 €/Tag für 4 ‑ 6 Tage und 75,00 € für 6 ‑ 8 Tage. Ab dem 9. Fehltag ist die Bußgeldhöhe eine Einzelfallentscheidung, hiervon musste bisher jedoch noch kein Gebrauch gemacht werden. Die Kinder‑ und Jugendhilfe sowie die Schulen erhalten vom Bußgeldbescheid eine Durchschrift.

 

Bei Familien, die bereits von der Kinder‑ und Jugendhilfe betreut werden, wird vor Erlass des Bußgeldbescheides nachgefragt, ob die Eltern für die Handlungen der Kinder mitverantwortlich sind oder ein Bußgeld die familiäre Situation verschlimmern würde.

 

Sofern der Bußgeldbescheid bestandskräftig geworden ist und das Bußgeld nicht bezahlt wurde, wird der Vorgang an das zuständige Jugendgericht abgegeben. Dieses hat die Möglichkeit, das Bußgeld in Sozialstunden umzuwandeln (§ 98 OWIG). Sofern dies geschieht weist die Jugendgerichtshilfe den Schülern Einsatzstellen zu. Sofern die Jugendlichen der Anordnung nicht nachkommen und auch die Geldbuße nicht bezahlen, wird Jugendarrest verhängt. Im Fall der Personensorgeberechtigten werden offene Bußgelder über 100 € an das Amtsgericht abgegeben. Dieses hat die Möglichkeit Erzwingungshaft anzuordnen. Sofern das Bußgeld unter 100 € liegt, wird die Beitreibung der Forderung zunächst über die Vollstreckungsstelle versucht. Sofern Anträge auf Ratenzahlungen vorliegen, werden die Anträge bei den Gerichten nach Eingang der ersten Rate zurückgenommen. Sollte eine Ratenzahlung dann widerrufen wird, werden die Vorgänge wieder an das Jugend‑ bzw. Amtsgericht abgegeben. In Einzelfällen wird vom Gericht bei der Kinder- und Jugendhilfe angefragt, ob bezüglich der Erfüllung der Schulpflicht Eingriffe in das Sorgerecht erfolgen sollten. Wird dies bejaht, wird für diesen Teilbereich der Personensorge durch das Gericht ein Ergänzungspfleger bestellt.

 

Schulpflichtüberwachung:

 

Die Stadt Laatzen überwacht seit Anfang des Jahres 2011 aktiv die Schulpflicht von neu zugezogenen Schülern in das Stadtgebiet. Einmal monatlich werden die auf Zuzugslisten erfassten Schüler angeschrieben und um die Vorlage einer Bescheinigung von der aktuell besuchten Schule gebeten. Sofern die Familie nicht auf das erste Schreiben reagiert, erfolgt eine Erinnerung. Erfolgt auch hierauf keine Rückmeldung, so wird die Familie in Form einer Anhörung davon in Kenntnis gesetzt, dass beabsichtigt wird, einen Bußgeldbescheid zu erlassen, da davon ausgegangen werden muss, dass das Kind zurzeit keine Schule besucht. In der Praxis erbringen die Familien bislang spätestens bei Erhalt der Anhörung einen Schulnachweis, in einigen wenigen Fällen mussten jedoch auch Bußgeldbescheide im Bereich Schulpflichtüberwachung erlassen werden.

 

Ziel des strukturierten Ablaufprozesses ist es, mögliche Gefährdungspotentiale frühzeitig zu erkennen, um so gezielt konkrete Hilfs‑ und Unterstützungsmaßnahmen, z. B. in Form erzieherischer Hilfen nach dem Kinder‑ und Jugendhilfegesetz, anbieten und einleiten zu können. Hierfür ist eine enge Zusammenarbeit aller Beteiligten und ein schnelles Reagieren bei Fehlzeiten erforderlich.

 

Im Auftrag

 

 

 

Thomas Schrader