- Beschluss über weiteres Vorgehen -
1.) Thematisierung: Errichtung von Photovoltaik-Freiflächenanlagen
Im August 2006 wurde für eine 1,42 ha große, ackerbaulich genutzte Fläche in der Gemarkung Gleidingen, östlich der Bundesstraße 6 / südlich der Triftstraße (siehe Anlage 1), eine Bauvoranfrage zur Errichtung einer Photovoltaik-Freiflächenanlage (PV-FFA) mit einer geschätzten Jahresleistung von bis 600.000 kWh bei "Festaufständerung" bzw. bis 1.000.000 kWh bei "Nachführsystem" gestellt.
Das "Baugrundstück" liegt im Außenbereich im Sinne § 35 Baugesetzbuch (BauGB). Im Unterschied etwa zu Windkraft- und Biogas-Anlagen zählen PV-FFA nicht zu den so genannten privilegierten Vorhaben im Außenbereich (§ 35 Abs. 1 BauGB und auch nicht zu den im Einzelfall (unter bestimmten Voraussetzungen) im Außenbereich zulassungsfähigen "sonstigen Vorhaben" (§ 35 Abs. 2 BauGB).
Photovoltaik-Freiflächenanlagen sind vielmehr nur auf solchen Flächen genehmigungsfähig, die in einem Bebauungsplan als Baugebiet für eben diese Nutzung festgesetzt sind, nämlich als "Sondergebiet" gem. § 11 Baunutzungsverordnung (BauNVO) mit der Zweckbestimmung "Solarfarm" oder "PV-Freiflächenanlagen". Somit scheiden selbst Gewerbe- und Industriegebiete (etwa im südlich benachbarten Gewerbegebiet "In der Welle") für die Errichtung von PV-FFA aus; zulässig sind dort – wie in anderen Baugebieten - allerdings PV-Anlagen auf und an Gebäuden sowie sonstigen baulichen Anlagen wie z.B. Lärmschutzwänden.
Die Bauvoranfrage hätte folgerichtig aus planungsrechtlichen Gründen negativ beschieden werden müssen und wurde deshalb vom Antragsteller zurückgezogen. Gleichzeitig wurde die Aufstellung eines entsprechenden Bebauungsplanes beantragt (siehe Anlage 2).
2.) Wirtschaftliche Aspekte
Wenngleich die obligatorischen Aspekte Klimaschutz, Verminderung des Verbrauchs fossiler Brennstoffe bzw. von CO2-Emissionen angeführt werden, dürfte die tatsächliche Motivation für die Errichtung einer PV-FFA in der sich aus dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) ergebenden gesetzlich festgelegten Vergütung von "Solarstrom" aus PV-FFA liegen: Sie liegt für Anlagen, die 2008 in Betrieb genommen werden, bei 35,49 ct/kWh. Die "Einstiegsvergütung" ist degressiv gestaffelt, sie verringert sich von Jahr zu Jahr um 6,5% und beträgt für Anlagen, die spätestens 2014 in Betrieb genommen werden müssen, auf 23,71 ct/kWh. Die jeweilige Einstiegsvergütung bleibt während der Laufzeit von 20 Jahren konstant.
Gemäß § 11 EEG sind die Netzbetreiber zur Abnahme des in PV-FFA erzeugten
Stroms jedoch nur dann verpflichtet,
wenn diese Anlagen vor dem 1. Januar 2015 im Geltungsreich eines
Bebauungsplanes errichtet wurden, der zumindest auch
zu diesem Zweck nach dem 1.September 2003 aufgestellt oder geändert worden ist,
und wenn sie sich
1. auf Flächen befinden, die zum Zeitpunkt des Beschlusses
über die Aufstellung oder Änderung des Bebauungsplans bereits versiegelt waren,
2. auf Konversionsflächen aus wirtschaftlicher oder
militärischer Nutzung (Abraumhalden, geschlossenen Mülldeponien,
Übungsgelände, Militärflugplätze oder dergleichen)
befinden oder
3. auf Grünflächen befinden, die zur Errichtung dieser Anlage im Bebauungsplan ausgewiesen sind und zum Zeitpunkt des Beschlusses über die Aufstellung oder Änderung des Bebauungsplans als Ackerland genutzt wurden.
Nach dem EEG liegt der Schwerpunkt der (finanziellen) Förderung der Solarenergie auch nach Auslaufen des erfolgreichen 100.000-Dächer-Programms unverändert bei PV-Anlagen auf und an Gebäuden und sonstigen baulichen Anlagen, was sowohl in höheren Einspeisevergütungen je kWh (Einstiegsvergütung 2008: je nach Nennleistung zwischen 41,93 ct/kWh bis 44,57 ct/kWh) als auch in der Nichtbefristung der Abnahmeverpflichtung der Netzbetreiber zum Ausdruck kommt.
3.) Private oder Kommunale Standortsteuerung?
Anders als Windkraftanlagen, die auf bestimmte günstige Standortfaktoren bezüglich Topografie, Windhöffigkeit und dergleichen angewiesen sind (Eignungsgebiete) und andererseits aus Gründen des Lärmschutzes, Schlagschattens etc. definierte Abstände zu Siedlungsgebieten und auch untereinander aufweisen müssen, sind PV-FFA technisch gesehen keine standortgebundenen sondern "quasi überall" realisierbare Anlagen.
Vergleichbar den Windkraftanlagen mit ihren Anlagenhöhen und -häufungen bewirken auch PV-FFA eine technische - flächenhafte - Überformung von Natur- bzw. Kulturlandschaften und erfordern ebenfalls eine landschafts- / naturschutzfachliche Beurteilung und eine entsprechend sorgfältige, auf eine Minimierung nachteiliger Auswirkungen auf Natur und Landschaft, Kleinklima, Naherholung etc. ausgerichtete Standortwahl.
Die in Gleidingen vorgesehene Fläche
- nach bisheriger Recherche übrigens die einzige Ackerfläche in
Familienbesitz des Antragstellers (er selbst ist nicht der Eigentümer) - liegt mit
lediglich 1,4 ha weit unter dem Durchschnitt der in den letzten beiden
Jahren geplanten PV-FFA von über 40 ha;
die größten geplanten Anlagen umfassen mehr als 100 ha (ehemaliger Militärflugplatz in Brandis bei Leipzig: 110 ha mit 40 MWpeak).
Im Regionalen Raumordnungsprogramm 2005 der Region Hannover (RROP 2005) wurden PV-FFA noch nicht als "raumbedeutsame" Vorhaben erfasst bzw. nicht einmal thematisiert. Eine regionalplanerische Standortsteuerung ist in Niedersachsen – wie auch in den meisten anderen Bundesländern – mittelfristig nicht beabsichtigt, bzw. dürfte die Zahl der Inbetriebnahmen bis Ende 2014 - dem Schlussjahr der Begründung von Vergütungsansprüchen nach dem EEG - stetig abnehmen.
Die Standort- bzw. Flächenzuweisung für PV-FFA ist somit der kommunalen Bauleitplanung überantwortet – angefangen vom "OB" über das "WO?" bis zum "WIE?". Insoweit stellt sich die Frage, ob diesbezüglich lediglich auf Anforderung / Initiative einzelner Bauherren/Investoren reagiert oder eine sachgerecht-ausgewogene, "offensive" Angebotsplanung anhand konkreter, definierter Kriterien angestrebt wird.
Die Ausweisung entsprechender Sondergebiete für PV-FFA per Flächennutzungs- und Bebauungsplan ist gleichwohl nicht an beliebigen Standorten zulässig, sondern an die Ziele /Vorgaben der regionalen Raumordnung gebunden: So scheiden u.a. Tabuflächen wie Landschafts- und Naturschutzgebiete etc. sowie diverse Vorranggebiete (für Hochwasserschutz, Freiraumsicherung etc.) aus. Die weitergehende Einengung auf in der Regel "minderwertige" Flächen (Konversionsflächen, versiegelte Flächen wie Industriebrachen, siehe oben) ist eine "vergütungsrechtliche" Steuerung des EEG durch den Gesetzgeber, um Fehlentwicklungen zu vermeiden.
Konversionsflächen sind im Stadtgebiet Laatzen nicht bzw. nicht in hinreichender Flächengröße vorhanden oder bereits anderweitig nachgenutzt (z.B. Park der Sinne = ehemalige Mülldeponie). Sämtliche Ackerflächen westlich der Hildesheimer Straße scheiden wegen der Festlegung als "Vorranggebiet für Freiraumfunktionen" aus, westlich der Bundesstraße 6 sind lediglich im Südraum Ingeln-Oesselses (soweit nicht Vorranggebiet für Windkraft) und eben am beantragten Standort in Gleidingen (nördlich des Gewerbegebietes "In der Welle", gedacht als dessen potenzielle Erweiterung) Ackerflächen von der Freiraumsicherung ausgenommen (siehe Anlage 3.1) ; die Fläche südlich des ADAC-Verkehrssicherheitszentrum ist im wirksamen Flächennutzungsplan als GE-Gebiet dargestellt). Auch die nicht der Freiraumsicherung vorbehaltenen Flächen sind im RROP 2005 zusätzlich als "Vorsorgegebiet für die Landwirtschaft" dargestellt (siehe Anlage 3.2) ; deren Inanspruchnahme für PV-FFA ist über eine Änderung des Flächennutzungsplanes zu erreichen.
Hinweise:
Ø Einen groben Überblick zur Komplexität des Themas PV-FFA gibt die als Anlage 4 beigefügte Einleitung aus dem 115-seitigen "Leitfaden zur Berücksichtigung von Umweltbelangen bei der Planung von PV-Freiflächenanlagen" der ARGE Monitoring PV-Anlagen vom 27.11.2007.
Ø In der Sitzung können auf Wunsch ergänzende Erläuterungen, ggf. anhand von Folien, vorgetragen werden.
Ø Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Ansiedlung von PV-FFA für die weitere Entwicklung, nicht zuletzt im Hinblick auf die voraussichtliche Präzedenzwirkung für andere Grundbesitzer, bittet die Verwaltung um eine Richtungsaussage.
Im Auftrage:
Dürr,
Stadtrat
Anlagen
I) Beschlussvorschlag:
Der Ausschuss für Stadtentwicklung, Umwelt
und Feuerschutz empfiehlt ….
Der Verwaltungsausschuss empfiehlt ….
Der Rat beschließt:
Der Antrag des Herrn St. K. vom 13.11.2006 auf Aufstellung eines Bebauungsplanes zugunsten der Errichtung einer Photovoltaik-Freiflächenanlage in der Gemarkung Gleidingen und die Erläuterungen der Verwaltung hierzu werden zur Kenntnis genommen.
A) Dem Antrag wird nicht entsprochen, weil dem
Interesse der Allgemeinheit an einer unverbauten Landschaft im Bereich des
Hauptzuganges von den Wohnsiedlungsbereichen in die freie Landschaft Vorrang
vor der Privatnützigkeit dieses Vorhabens eingeräumt wird.
B) Unter der Voraussetzung, dass der Antragsteller sich bereit erklärt, die Kosten der Planung einschließlich der einzuholenden Gutachten zu übernehmen, wird die Verwaltung beauftragt, für den beantragten Standort die Verfahren zur Änderung des Flächennutzungsplanes und Aufstellung eines vorhabenbezogenen Bebauungsplanes einzuleiten.