Betreff
Verhinderung von Stromsperren
- Antrag der Gruppe Linke und Piraten im Rat -
- Stellungnahme der Verwaltung -
Vorlage
2014/066/1
Art
Mitteilung
Referenzvorlage

Im Jahr 2011 haben die Stromversorger  laut einem Bericht des „Tagesspiegel“ vom 29.07.2013 bundesweit sechs Millionen Mal säumigen Kunden angedroht, ihnen den Strom abzustellen, tatsächlich wurde etwa 310.000 Haushalten der Strom gesperrt. Häufigste Ursache für die vollzogenen Stromsperren war das Nicht-Reagieren im Rahmen des Mahnverfahrens. Nur durch frühzeitiges Handeln lassen sich die Notsituationen vermeiden.

 

Viele Versorger lassen sich auf Ratenzahlungen ein oder stunden die Stromschulden vorübergehend. Für denjenigen, der aus eigener Kraft nicht weiterkommt, stehen das Jobcenter oder das Sozialamt mit Hilfen, auch finanziell, bereit. Um zu handeln, ist genug Zeit. Zwischen der ersten Mahnung durch den Stromlieferanten und der Stromsperre, die letztlich der Netzbetreiber verhängt, vergehen mehrere Wochen. Mindestens vier Wochen, bevor der Strom abgestellt wird, muss diese Maßnahme durch den Anbieter angekündigt werden, drei Tage vor der angedrohten Versorgungsunterbrechung muss der Versorger den Kunden noch einmal informieren.

 

Zuständig für die Stromsperren ist in Laatzen der Netzbetreiber "enercity Netzgesellschaft" mbH (eNG). Bei diesem müssen die Stromlieferanten entsprechende Sperrungen beantragen. Aus den Anträgen geht nicht hervor, wie viele Menschen im betroffenen Haushalt leben und wie alt diese sind. Aussagen über ggf. betroffene Familien mit Kindern sind daher nicht möglich.

 

Über die Hintergründe, warum es zu den Sperrungen gekommen ist, ist die eNG ebenfalls nicht informiert, sie ist quasi nur „ausführendes Organ“.

 

Für die Jahre 2012, 2013 und 2014 bis einschließlich 30. Juni wurden laut eNG folgende Stromsperren in Laatzen vollzogen (incl. Wiederholungssperren):

 

  2012              2013               2014

    88                 217                  8

 

Eine Erklärung für die erheblichen Schwankungen kann die eNG nicht liefern, da sie nur die Meldungen/Anträge der Lieferanten umsetzt.

 

Im Netzgebiet Laatzen befinden sich 24.228  Stromzählpunkte. Setzt man die Anzahl der vollzogenen Sperrungen ins Verhältnis zur Gesamtzahl aller Stromzählpunkte im Laatzener Netzgebiet der eNG ergibt sich rechnerisch folgendes Bild (Stand: 30.06.2014):

           

                                    2012               2013              2014

                                                0,36%             0,89%            0,03%

 

Eine Vereinbarung mit den Stromversorgern über eine Pflicht, die Stadt über drohende Stromabschaltungen zu informieren, beinhaltet datenschutzrechtliche Probleme im Zusammenhang mit der Weitergabe der Daten betroffener Kunden durch das Energieversorgungsunternehmen. Der Bezug von Energie durch Privathaushalte ist inzwischen liberalisiert. D.h., dass jeder Energiekunde eine freie Auswahl darüber treffen kann, von welchem Anbieter er Strom oder Gas bezieht. Dies führt jedoch dazu, dass, obwohl der Grundversorger noch über die meisten Energieversorgungsverträge im Versorgungsgebiet verfügt, er keinen Einblick in den Status aller Versorgungsverträge im Stadtgebiet hat. Das jeweilige Versorgungsunternehmen wird allerdings in der Regel aus datenschutzrechtlichen Gründen dazu verpflichtet sein, die personenbezogenen Daten seiner Kunden nur zum Zweck der Vertragsabwicklung zu verwenden und nicht an Dritte weiter zu geben. Es kann daher nicht davon ausgegangen werden, dass die Energieversorgungsunternehmen an einer Vereinbarung über eine Informationspflicht über drohende Stromabschaltungen ohne weiteres mitwirken können.

 

Neben den datenschutzrechtlichen Problemen ist die Einrichtung eines Nothilfe-Budgets und die Gewährung von Geldleistungen / Darlehen zur Verhinderung von Stromzählersperren auch als freiwillige Leistung der Stadt Laatzen für Personen, die sich in finanziellen Notlagen befinden, problematisch, da sich sowohl aus dem SGB II als auch aus dem SGB XII ein nahezu inhaltsgleicher Anspruch herleiten lässt. Sofern für den Bedarf für Unterkunft und Heizung Arbeitslosengeld II erbracht wird, sieht § 22 Abs. 8 des SGB II vor, dass auch Schulden übernommen werden können, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Hierunter fällt sodann auch die Übernahme von Energiekostenrückständen (vgl. Berlit in LPK - SGB II, Rdnr. 116 zu § 22). Diese sollen übernommen werden, wenn es gerechtfertigt und notwendig ist und ansonsten Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Weiterhin sollen diese Geldleistungen als Darlehen erbracht werden.

 

Eine vergleichbare Regelung sieht auch das SGB XII vor. Gemäß § 38 SGB XII in Verbindung mit § 35 Abs. 1 kann zur Behebung einer vorübergehenden Notlage, wie beispielsweise im Fall von Energiekostenrückständen, die zu einer Unterbrechung der Energieversorgung führen können, eine Leistung in Form eines Darlehens gewährt werden. Dieser Personenkreis, ebenso wie Anspruchsberechtigte nach dem AsylbLG und Personen mit geringem Arbeitseinkommen, die keinen Anspruch auf die genannten Leistungen haben, kann entsprechende Anträge bei der Stadt Laatzen stellen.

 

Handelt es sich um Bezieher von SGB II-Leistungen, müssen die Betroffenen beim Jobcenter einen Antrag auf Übernahme der Stromrückstände stellen.

 

Da also eine gesetzliche Regelung, um den in dem Antrag dargestellten Fällen entgegenwirken zu können, bereits vorhanden ist, besteht laut Rechtsauffassung des Niedersächsischen Innenministeriums (Kommunalaufsicht) keine Kompetenz der Kommune, ergänzend hierzu Regelungen zu treffen bzw. eine entsprechende Anspruchsgrundlage auf städtischer Ebene zu schaffen.

 

Den Gemeinden steht  gemäß § 5 Abs. 1 NKomVG zwar die Aufgabenwahrnehmung in allen Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft zu. Begrenzt wird diese Zuständigkeit damit jedoch auf Angelegenheiten, die Bedürfnisse und Interessen betreffen, die in der örtlichen Gemeinschaft wurzeln oder auf sie einen spezifischen Bezug haben (vgl. BVerfG, Urteil vom 23.11.1988, dng 1989, 97, 101). Auch kann die Gemeinde nicht in Bereichen tätig werden, die rechtlich in der Zuständigkeit einer anderen Körperschaft liegen (vgl. Urteil des OVG Münster vom 19.01.1995).

 

Nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG ist die Regelung der öffentlichen Fürsorge im Rahmen der konkurrierenden Gesetzgebungsbefugnis dem Bund zugewiesen. Der Bund hat von dieser Gesetzgebungsbefugnis u.a. durch das SGB II und das SGB XII umfassend Gebrauch gemacht.

 

Eine Kompetenz für eine ergänzende städtische Regelung besteht somit nicht. Ohnehin ist im Fall angekündigter Stromsperren durch Zahlungsrückstände nicht zu erkennen, dass eine Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft betroffen ist, weil konkrete örtliche Bezüge nicht zu erkennen sind. Vielmehr handelt es hier um eine gesamtstaatliche Problemstellung.

 

Ergänzend zu den Möglichkeiten im Rahmen des SGB II und SGB XII wurde für Kunden der Stadtwerke außerdem ein Sozialfonds eingerichtet, der über das Jobcenter bzw. die Stadt Laatzen - Team Soziales - in Anspruch genommen werden kann. Wenn auch von dort die Rückstände nicht übernommen werden, besteht noch die Möglichkeit, eine Spende bei der HAZ-Spendenaktion zu beantragen. In der Regel werden die Kosten dann auch übernommen.

 

Sofern die Stadt Kenntnis von Stromschulden erlangt, weil die Betroffenen sich hier melden, kümmert sich der Soziale Dienst der Stadt Laatzen um diese Personen. Ziel ist die Abwendung angekündigter Stromsperren. Das gilt grundsätzlich für alle Altersgruppen, aber natürlich insbesondere für Haushalte, in denen Kinder, ältere Menschen oder chronisch Kranke leben.

 

Laut Auskunft der Pressesprecherin der eNG werden auch die sogenannten Sperrkassierer sensibilisiert, d.h., sollten sie im Zuge der vorzunehmenden Sperrung des Zählers feststellen, dass in der Wohnung kleine Kinder oder hilfebedürftige Personen leben, können sie auf den Vollzug verzichten und ggf. auf Beratungs- und Unterstützungsangebote hinweisen. Probleme, die aufgrund der Einstellung der Stromversorgung entstanden sind, sind hier nicht bekannt. 

 

Im Auftrag

 

 

 

Thomas Schrader