- Antrag der Gruppe Linke und Piraten im Rat -
- Stellungnahme der Verwaltung -
Im Jahr 2011 haben die Stromversorger
laut einem Bericht des „Tagesspiegel“
vom 29.07.2013 bundesweit sechs Millionen Mal säumigen Kunden angedroht,
ihnen den Strom abzustellen, tatsächlich wurde etwa 310.000 Haushalten der Strom gesperrt. Häufigste Ursache für
die vollzogenen Stromsperren war das Nicht-Reagieren im Rahmen des
Mahnverfahrens. Nur durch frühzeitiges Handeln lassen sich die Notsituationen
vermeiden.
Viele Versorger lassen sich auf Ratenzahlungen ein oder stunden die Stromschulden
vorübergehend. Für denjenigen, der aus eigener Kraft nicht weiterkommt, stehen
das Jobcenter oder das Sozialamt mit Hilfen, auch finanziell, bereit. Um zu
handeln, ist genug Zeit. Zwischen der ersten Mahnung durch den Stromlieferanten
und der Stromsperre, die letztlich der Netzbetreiber verhängt, vergehen mehrere
Wochen. Mindestens vier Wochen, bevor der Strom abgestellt wird, muss diese
Maßnahme durch den Anbieter angekündigt werden, drei Tage vor der angedrohten
Versorgungsunterbrechung muss der Versorger den Kunden noch einmal informieren.
Zuständig
für die Stromsperren ist in Laatzen der Netzbetreiber "enercity Netzgesellschaft"
mbH (eNG). Bei diesem müssen die Stromlieferanten entsprechende Sperrungen
beantragen. Aus den Anträgen geht nicht hervor, wie viele Menschen im betroffenen
Haushalt leben und wie alt diese sind. Aussagen über ggf. betroffene Familien
mit Kindern sind daher nicht möglich.
Über
die Hintergründe, warum es zu den Sperrungen gekommen ist, ist die eNG
ebenfalls nicht informiert, sie ist quasi nur „ausführendes Organ“.
Für
die Jahre 2012, 2013 und 2014 bis einschließlich 30. Juni wurden laut eNG folgende
Stromsperren in Laatzen vollzogen (incl. Wiederholungssperren):
2012 2013 2014
88 217 8
Eine
Erklärung für die erheblichen Schwankungen kann die eNG nicht liefern, da sie
nur die Meldungen/Anträge der Lieferanten umsetzt.
Im
Netzgebiet Laatzen befinden sich 24.228
Stromzählpunkte. Setzt man die Anzahl der vollzogenen Sperrungen ins
Verhältnis zur Gesamtzahl aller Stromzählpunkte im Laatzener Netzgebiet der eNG
ergibt sich rechnerisch folgendes Bild (Stand: 30.06.2014):
2012 2013 2014
0,36% 0,89% 0,03%
Eine Vereinbarung mit den Stromversorgern über eine Pflicht, die Stadt über
drohende Stromabschaltungen zu informieren, beinhaltet datenschutzrechtliche
Probleme im Zusammenhang mit der Weitergabe der Daten betroffener Kunden durch
das Energieversorgungsunternehmen. Der Bezug von Energie durch Privathaushalte
ist inzwischen liberalisiert. D.h., dass jeder Energiekunde eine freie Auswahl
darüber treffen kann, von welchem Anbieter er Strom oder Gas bezieht. Dies
führt jedoch dazu, dass, obwohl der Grundversorger noch über die meisten
Energieversorgungsverträge im Versorgungsgebiet verfügt, er keinen Einblick in
den Status aller Versorgungsverträge im Stadtgebiet hat. Das jeweilige
Versorgungsunternehmen wird allerdings in der Regel aus datenschutzrechtlichen
Gründen dazu verpflichtet sein, die personenbezogenen Daten seiner Kunden nur
zum Zweck der Vertragsabwicklung zu verwenden und nicht an Dritte weiter zu
geben. Es kann daher nicht davon ausgegangen werden, dass die
Energieversorgungsunternehmen an einer Vereinbarung über eine
Informationspflicht über drohende Stromabschaltungen ohne weiteres mitwirken
können.
Neben den datenschutzrechtlichen Problemen ist die Einrichtung eines
Nothilfe-Budgets und die Gewährung von Geldleistungen / Darlehen zur
Verhinderung von Stromzählersperren auch als freiwillige Leistung der Stadt
Laatzen für Personen, die sich in finanziellen Notlagen befinden,
problematisch, da sich sowohl aus dem SGB II als auch aus dem SGB XII ein
nahezu inhaltsgleicher Anspruch herleiten lässt. Sofern für den Bedarf für
Unterkunft und Heizung Arbeitslosengeld II erbracht wird, sieht § 22 Abs. 8 des
SGB II vor, dass auch Schulden übernommen werden können, soweit dies zur
Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage
gerechtfertigt ist. Hierunter fällt sodann auch die Übernahme von Energiekostenrückständen
(vgl. Berlit in LPK - SGB II, Rdnr. 116 zu § 22). Diese sollen übernommen werden,
wenn es gerechtfertigt und notwendig ist und ansonsten Wohnungslosigkeit
einzutreten droht. Weiterhin sollen diese Geldleistungen als Darlehen erbracht
werden.
Eine
vergleichbare Regelung sieht auch das SGB XII vor. Gemäß § 38 SGB XII in
Verbindung mit § 35 Abs. 1 kann zur Behebung einer vorübergehenden Notlage, wie
beispielsweise im Fall von Energiekostenrückständen, die zu einer Unterbrechung
der Energieversorgung führen können, eine Leistung in Form eines Darlehens gewährt
werden. Dieser Personenkreis, ebenso wie Anspruchsberechtigte nach dem AsylbLG
und Personen mit geringem Arbeitseinkommen, die keinen Anspruch auf die
genannten Leistungen haben, kann entsprechende Anträge bei der Stadt Laatzen
stellen.
Handelt
es sich um Bezieher von SGB II-Leistungen, müssen die Betroffenen beim
Jobcenter einen Antrag auf Übernahme der Stromrückstände stellen.
Da also eine gesetzliche Regelung, um den in dem Antrag dargestellten
Fällen entgegenwirken zu können, bereits vorhanden ist, besteht laut Rechtsauffassung
des Niedersächsischen Innenministeriums (Kommunalaufsicht) keine Kompetenz der
Kommune, ergänzend hierzu Regelungen zu treffen bzw. eine entsprechende Anspruchsgrundlage
auf städtischer Ebene zu schaffen.
Den Gemeinden steht gemäß § 5 Abs. 1 NKomVG zwar die Aufgabenwahrnehmung in allen Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft zu. Begrenzt wird diese Zuständigkeit damit jedoch auf Angelegenheiten, die Bedürfnisse und Interessen betreffen, die in der örtlichen Gemeinschaft wurzeln oder auf sie einen spezifischen Bezug haben (vgl. BVerfG, Urteil vom 23.11.1988, dng 1989, 97, 101). Auch kann die Gemeinde nicht in Bereichen tätig werden, die rechtlich in der Zuständigkeit einer anderen Körperschaft liegen (vgl. Urteil des OVG Münster vom 19.01.1995).
Nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG ist die Regelung der öffentlichen Fürsorge im Rahmen der konkurrierenden Gesetzgebungsbefugnis dem Bund zugewiesen. Der Bund hat von dieser Gesetzgebungsbefugnis u.a. durch das SGB II und das SGB XII umfassend Gebrauch gemacht.
Eine Kompetenz für eine ergänzende städtische Regelung besteht somit nicht. Ohnehin ist im Fall angekündigter Stromsperren durch Zahlungsrückstände nicht zu erkennen, dass eine Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft betroffen ist, weil konkrete örtliche Bezüge nicht zu erkennen sind. Vielmehr handelt es hier um eine gesamtstaatliche Problemstellung.
Ergänzend
zu den Möglichkeiten im Rahmen des SGB II und SGB XII wurde für Kunden der
Stadtwerke außerdem ein Sozialfonds eingerichtet, der über das Jobcenter bzw. die
Stadt Laatzen - Team Soziales - in Anspruch genommen werden kann. Wenn auch von
dort die Rückstände nicht übernommen werden, besteht noch die Möglichkeit, eine
Spende bei der HAZ-Spendenaktion zu beantragen. In der Regel werden die Kosten
dann auch übernommen.
Sofern
die Stadt Kenntnis von Stromschulden erlangt, weil die Betroffenen sich hier
melden, kümmert sich der Soziale Dienst der Stadt Laatzen um diese Personen.
Ziel ist die Abwendung angekündigter Stromsperren. Das gilt grundsätzlich für
alle Altersgruppen, aber natürlich insbesondere für Haushalte, in denen Kinder,
ältere Menschen oder chronisch Kranke leben.
Laut
Auskunft der Pressesprecherin der eNG werden auch die sogenannten Sperrkassierer
sensibilisiert, d.h., sollten sie im Zuge der vorzunehmenden Sperrung des
Zählers feststellen, dass in der Wohnung kleine Kinder oder hilfebedürftige
Personen leben, können sie auf den Vollzug verzichten und ggf. auf Beratungs-
und Unterstützungsangebote hinweisen. Probleme, die aufgrund der Einstellung
der Stromversorgung entstanden sind, sind hier nicht bekannt.
Im Auftrag
Thomas Schrader